ADHS. Die Modekrankheit, wie sie auch allgemein gerne genannt wird. Kaum eine Krankheit wird von der Gesellschaft so extrem diskutiert wie diese. Aber dabei ist sie genau das. Eine Krankheit. Genauer, eine neurologische Störung, die häufig bereits in der Kindheit erste Symptome zeigt und bis ins Erwachsenenalter fortbestehen und erhebliche Auswirkungen auf das tägliche Leben mitbringen kann. Von Konzentrationsschwierigkeiten, bis hin zu impulsivem Verhalten und/oder ständiger Unruhe bzw. den Drang sich bewegen zu müssen.
In diesem Artikel werden wir tiefer in die Welt von ADHS eintauchen, uns näher mit den Symptomen, den möglichen Ursachen und den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten beschäftigen.
Betroffene von ADHS haben häufig einen hohen Leidensdruck aufgrund ihrer Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Impulse zu regulieren. Bild by Freepik
Übersicht
Wie zeigt sich AD(H)S überhaupt?
Was sind die Ursachen?
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Schwierigkeiten und Konflikte bei den Hausaufgaben? Bei ADHS-Betroffenen ist das der Alltag. Bild by gpointstudio on Freepik
Wie zeigt sich AD(H)S überhaupt?
Unter AD(H)S versteht man eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung und diese kann sich auf verschiedene Weisen manifestieren. Wobei das „H“, also die Hyperaktivität, nicht immer gegeben sein muss, zählt sie zu den häufigsten Symptomen, neben Aufmerksamkeitsproblemen und Schwierigkeiten, Impulse zu kontrollieren.
1. Aufmerksamkeitsprobleme
Wie der Name schon sagt, haben Betroffene Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und bei der Sache zu bleiben. Insbesondere bei Dingen, die sie nicht ganz so interessiert. Deswegen haben Kinder mit ADHS in der Schule häufig Probleme zuzuhören oder den Themen zu folgen, da sie häufig Abschweifen. Dazu kommt, dass es für diese oft schwierig ist, Aufgaben zu organisieren, sodass vor allem bei alltäglichen Aufgaben Konflikte entstehen.
2. Impulsivität
„Erst Reden, dann Denken“. Das wäre das Motto der Betroffenen. Diese haben nämlich die Schwierigkeit Impulse zu kontrollieren, geschweige denn Konsequenzen abzuwägen. Sie führen Handlungen ohne vorheriges Überlegen aus, was auch häufig zu Konflikten mit Gleichaltrigen oder Lehrern/Eltern führen kann. Der Leidensdruck ist hier häufig sehr groß.
3. Hyperaktivität
Einen Zappelphilipp oder Klassenclown kennt jeder. Dies muss nicht unbedingt mit ADHS zu tun haben, es könnte aber so sein. Übermäßige körperliche Unruhe, ständige Bewegung und die Schwierigkeiten, ruhig zu bleiben oder sich zu entspannen. Das sind die Symptome, die vor allem mit ADHS verbunden werden. Wenn die Hyperaktivität nicht gegeben ist, spricht man übrigens von ADS.
Was sind die Ursachen?
Wie ADHS entsteht, ist von der Wissenschaft noch nicht vollständig entschlüsselt. Es wird aber davon ausgegangen, dass es eine komplexe Wechselwirkung aus genetischen, neurobiologischen und verschiedenen Umweltfaktoren ist. Die aktuelle Befundlage geht von folgenden Hauptfaktoren aus.
1. Genetik
Es gibt sehr starke Hinweise darauf, dass ADHS eine genetische Komponente hat, da es Häufungen innerhalb von Familien gibt. Studien haben gezeigt, dass Kinder von Eltern mit ADHS ein höheres Risiko haben, die solch Störung zu entwickeln. Es wird angenommen, dass mehrere Gene, die an der Regulation von Neurotransmittern im Gehirn beteiligt sind, zur Veranlagung für ADHS beitragen können. Was uns zur Neurobiologie führt.
2. Neurobiologie
Untersuchungen haben gezeigt, dass Ungleichgewichte in bestimmten Neurotransmittersystemen im Gehirn, insbesondere Dopamin und Noradrenalin, eine Rolle bei der Entstehung von ADHS spielen können. Diese Neurotransmitter helfen uns Menschen, die Aufmerksamkeit, die Impulskontrolle und unsere Bewegung zu regulieren, was erklären könnte, warum Menschen mit ADHS vor allem Schwierigkeiten in diesen Bereichen haben.
3. Umweltfaktoren
Tabakrauch, Alkohol oder andere schädlichen Substanzen während der Schwangerschaft können das Risiko für die Entwicklung von ADHS erhöhen. Auch bestimmte Umweltbedingungen, wie unzureichende Ernährung, Stress oder frühe Traumata, könnten bei der Entstehung eine Rolle spielen. Wichtig zu erwähnen ist hier jedoch, dass nicht jeder Betroffene von ADHS von diesen Umweltbedingungen betroffen ist.
Weitere Forschung ist also erforderlich, um die genauen Mechanismen, die zur Entstehung von ADHS beitragen, zu verstehen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Die Behandlung von ADHS umfasst eine Vielzahl von Ansätzen, die darauf abzielen, die Symptome zu mindern bzw. zu kontrollieren, die Lebensqualität zu verbessern und den Betroffenen sowie deren Angehörigen zu helfen, besser mit den Herausforderungen der Störung umzugehen. Hier sind die wichtigsten Behandlungsmöglichkeiten:
1. Medikamentöse Therapie
Ja ich fange absichtlich mit den Medikamenten an. Gerade bei den Kritikern ist das ja immer das Argument, dass man etwas lautere und lebendigere Kinder, mit Medikamenten „vollpumbt“ oder ruhigstellt. Aber: Die Medikamente haben durchaus ihre Berechtigung, wenn diese richtig eingestellt sind. Denn sie erhöhen die Verfügbarkeit von Neurotransmittern wie Dopamin und Noradrenalin im Gehirn, die ja bei den Betroffenen wenig verfügbar sind. Dies soll dann zu einer Verbesserung der Aufmerksamkeit, der Impulskontrolle und der Hyperaktivität führen. Dabei werden dann häufig Stimulanzien wie Methylphenidat (z.B. Ritalin) und Amphetamine (z.B. Adderall) eingesetzt. Wichtig ist hier vor allem, dass man sich gut beraten lässt und eine eigene Entscheidung trifft. Ganz nach dem Motto: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
2. Verhaltenstherapie
Oftmals reichen Medikamente nicht aus, das Verhalten der Betroffenen zu ändern. Dann können vor allem verhaltenstherapeutische Ansätze helfen, Bewältigungsstrategien zu erlernen und Fähigkeiten zur Selbstregulierung zu entwickeln. Die Verhaltensänderungen können dazu beitragen, die Symptome von ADHS zu bewältigen sowie die Betroffenen dabei zu unterstützen, ihre Lebensqualität zu verbessern.
3. Eltern- und Lehrertraining
Auch die Schulung von Eltern und Lehrern zur Unterstützung von Kindern mit ADHS kann dazu beitragen, die Bewältigungsfähigkeiten zu verbessern und den Erfolg in der Schule zu fördern, was wiederrum den Leidensdruck der Betroffenen minimieren kann.
Von der Implementierung von Struktur und Routinen (übrigens besonders wichtig), über die Verwendung von Belohnungssystemen bis hin zur Anpassung des Lernumfelds.
4. Psychosoziale Unterstützung
Neben Trainings gibt es auch die Möglichkeit der Beratung, Selbsthilfegruppen oder Gruppentherapien. Diese dienen als Unterstützung insbesondere für die Angehörigen und sollen helfen, mit den emotionalen und sozialen Herausforderungen von ADHS umzugehen, Beziehungen zu stärken und die Lebensqualität von Familien insgesamt zu verbessern.
Auch wenn Medikamente nicht vorschnell abgelehnt werden sollten und auch häufig eine gute Unterstützung für die Betroffenen sein können, sollte eine Therapie, ein Training oder eine Beratung das Mittel der Wahl sein.
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Fazit
Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass ADHS alles andere als ein Trend oder Modeerscheinung ist. Sie ist eine komplexe Störung, die auch eine individuelle Behandlungsstrategie, je nach Bedürfnissen und Umständen, erfordert.
In vielen Fällen ist eine Kombination aus Therapie, Elterntraining und ggfs. Medikation am effektivsten. Durch die verschiedenen Behandlungsansätze ist es gut möglich, den Menschen mit ADHS zu helfen und den Leidensdruck zu minimieren.
Wenn du oder dein Kind Symptome von ADHS zeigen, ist es wichtig, professionelle Hilfe von einem Arzt oder Therapeuten zu suchen, um eine angemessene Diagnose und auch eine entsprechende Behandlung zu erhalten. Bitte macht keine internetbasierten Selbsttests.
Was sagt ihr dazu? Kennt ihr jemanden mit AD(H)S oder seid selbst betroffen? Was hat euch geholfen? Schreibt es gerne in die Kommentare.
Du brauchst mehr Informationen?
Hier habe ich noch einige Seiten aus dem Internet für euch.
Weitere Informationen zu den Symptomen, Ursachen, Diagnosen und Behandlung findest du bei Quarks.de (https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/das-solltest-du-ueber-adhs-wissen/)
Auch auf dem Infoportal für ADHS gibt es viele Informationen je nach Zielgruppe zu finden (https://www.adhs.info)
Ebenfalls interessant ist das Infoportal für psychische Gesundheit. (https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugendpsychiatrie-psychosomatik-und-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/aufmerksamkeitsdefizit-hyperaktivitaets-stoerung-adhs/)
Weitere Themen:
Verhaltenstherapie · ADHS erkennen · ADHS behandeln · Elterntraining · ADHS und Schule · Neurobiologie · Umweltfaktoren · Genetik · ADHS bei Kindern · Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung · Diagnostik · Methylphenidat · ADHS Selbsttest
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Kommentare
Ohja, die Diskussionen bei den Hausaufgaben kenn ich bei meinen Großen nur all zu gut. Hat mich schon oft zum verzweifeln gebracht. Mein zweiter ist da ganz anders gewesen. Wir haben tatsächlich mit medis gut unterstützen können.
Hallo Barbara! Vielen Dank, dass du deine Erfahrung mit uns teilst. Es freut mich, dass ihr eine gute Möglichkeit für euch gefunden habt!
Mein Sohn (12) hatte auch ne zeitlang Ritalin und ich war total schockiert, was das Medikament aus meinem Kind gemacht hab. Haben es fast nicht mehr wiedererkannt. Geben es seitdem auch nicht mehr..
Ich hab seit meiner Kindheit, also so lang ich denken kann Methylphenidat genommenen. Ohne wäre ich möglicherweise schon längst unter der Brücke gelandet.
Hallo Lisa!
Ja, die Medikamente wirken sehr individuell. Ich hoffe, ihr habt eine Möglichkeit gefunden, wie du deinen Sohn auch ohne Medis unterstützen kannst. Alles Gute weiterhin!
Ich kann nur aus zweiter Hand berichten. Ein Freund meines Mannes hat ADHS. Er hat es damals mit viel Mühe und viel Ärger aufs Gymnasium geschafft, wurde dort dann aber als gesellschaftsunfähig und blöd stigmatisiert und auf die Hauptschule abgeschoben. Darauf hat er durch seinen Kinderarzt Ritalin erhalten und sein Leben hat sich von da an geändert. Er ist heute erfolgreicher Rechtsanwalt. Er selbst meinte, dass er gern viel früher Ritalin hätte nehmen sollen, das hätte ihm den riesen schulischen Umweg und die Demütigung erspart.
Viele Grüße Martina
Hallo Martina!
Da hat der Freund ja eine tolle Entwicklung gemacht. Ich habe auch schon häufiger von derartigen Erfahrungen gehört. Medis können schon gut unterstützen, ist aber nicht für jeden eine Option. Vielen Dank dir!